Wer einen Säugling beobachtet, dem fällt auf, wie er seine Beinchen anwinkelt und leicht spreizt; er ist nicht in der Lage, die Beinchen gerade zu strecken. Besonders wenn eine ihm bekannte Person zu ihm tritt, zieht das Baby die Beinchen an, in Erwartung des Hochgenommenwerdens. Wird das Baby hochgenommen, verstärkt sich dies noch. Es hockt die Beinchen an, in Erwartung, getragen zu werden. Setzt man sich den Säugling auf die Hüften, ist erkennbar, dass diese Anhock-Spreizstellung die optimale Stellung ist, um von der tragenden Person getragen zu werden. Zur Unterstützung sind auch die Unterschenkel eines kleinen Babys noch leicht nach innen gekrümmt, wodurch es sich beim Reiten auf der Hüfte besser halten kann. Auch der gerundete Rücken des Babys passt ins Bild: Um am Körper der Mutter getragen zu werden, braucht sich das Baby nicht aufzurichten. Vielmehr ist die Beugung nach vorne sinnvoll, um sich an der Mutter anlehnen zu können. Das Anlehnen wiederum ist sinnvoll, weil damit das Nach-hinten-Fallen vermieden werden kann. Um beim Tragen der Gefahr dieses Nach-hinten-Fallens vorzubeugen, kann eine Babytrage verwendet werden.
Auch am Skelett des Kindes ist die Anpassung an das Getragenwerden zu erkennen. Das Skelett des Neugeborenen ist noch nicht vollständig verknöchert. Bestimmte Teile sind noch knorpelig, beispielsweise die Hüftpfanne und der Oberschenkelkopf. Oft ist die Hüfte eines Babys noch unreif. Dies wäre von Natur aus nicht weiter schlimm, denn das Kind bringt die genannten Reflexe mit, die es beim Hochheben automatisch die Anhock-Spreizstellung und den gerundeten Rücken einnehmen lassen. Auf der Hüfte – dem von Natur aus zum Tragen des Säuglings vorgesehenen Platz. In dieser Stellung drücken die Köpfe der Oberschenkelknochen ins Zentrum der Hüftpfannen. Die Belastung der Pfannenränder ist gleichmässig verteilt. Die Verknöcherung kann optimal – ohne Verformungen – erfolgen. Es bilden sich gut ausgebildete Schenkelköpfe und Hüftpfannen. In anderen Stellungen dagegen, etwa mit hängenden Beinen, drücken die Köpfe der Oberschenkelknochen an die noch knorpeligen und damit verformbaren Pfannenwände und -ränder, und Verformungen an Oberschenkelknochen-Köpfen und Rändern der Hüftpfannen können die Folge sein.
Nicht nur die Knochen, auch die Bänder und Muskeln profitieren von der Anhock-Spreiz-Haltung. In dieser sind Muskeln und Bänder der Beine in Ruhestellung und werden nicht gedehnt. Die Bewegung während des Tragens fördert ausserdem die Durchblutung von Knochen und Gelenken sowie Muskeln – und damit die raschere und bessere Verknöcherung und frühere Kräftigung der Muskeln.
Weil das korrekte Tragen die Bildung gesunder Hüften ideal fördert, kann Tragen vor allem im Babytragetuch als präventive oder gar unterstützende Massnahme bei Hüftdysplasie eingesetzt werden Ausserdem kann mit dieser Trage-Methode Kontaktverlusten gelenkbildender Knochenenden (Hüftluxation) vorgebeugt werden. Dass ein Baby einen runden Rücken hat, ist durchaus sinnvoll: Ein Tragling muss sich nicht aufrichten können, um am Körper der Mutter getragen zu werden. Vielmehr ist die Beugung nach vorne sinnvoll, um sich an der Mutter anlehnen zu können. Das Anlehnen wiederum ist sinnvoll, weil damit das Nach-hinten-Fallen vermieden werden kann. Die Doppel-S-Form des Rückens wird zwar im Kern bereits im Mutterleib angelegt, bildet sich erst mit der Zeit heraus und ist dann abgeschlossen, wenn das Kind selbständig gehen kann und damit nicht mehr auf das Getragenwerden angewiesen ist.
Die Streckung der Wirbelsäule verläuft in vier Phasen:
Nach der Geburt ist der Rücken rund (Totalkyphose).
Nach etwa 6 Wochen beginnt das Kind, den Kopf zu heben.
Wenn das Kind sich mit etwa 4 Monaten auf die Unterarme stützen kann, ist die Streckung (beziehungsweise: die Halswirbel richten sich nach oben-vorne auf) der Halswirbelsäule fertig vollzogen (Halslordose).
Als Nächstes beginnt das Kind, sich aufzusetzen. Dazu werden die Brustwirbel nach oben-hinten aufgerichtet. Die sogenannte Brustkyphose ist vollzogen, wenn das Kind selbständig sitzen kann, das heisst, von alleine über Rotation in den Sitz kommt.
Zuletzt folgt die Lendenlordose. Die Lendenwirbel richten sich nach oben-vorne auf, sobald sich das Kind an Gegenständen hochzuziehen beginnt. Abgeschlossen ist diese Phase – und damit die gesamte Streckung des Rückens – mit dem freien Gehen des Kindes.
Die Bandscheiben sind bei der Geburt noch nicht voll entwickelt und sind stark durchblutet. Erst mit der Aufrichtung des jeweiligen Abschnittes der Wirbelsäule erhalten sie ihre volle Funktion. Wird der Rücken in dieser sensiblen Zeit gestaucht, kann es für die Bandscheiben und noch weichen Wirbelkörper Entwicklungsprobleme geben.